– Bibelrätsel – die 10 Gebote, Rückschau – 

Der Link zur Sendung Video in ZDF-Mediathek funktioniert länger, als beim sonst oft gesehenen Depublizieren nach einer Woche. Die Sendung wird aber auch oft wiederholt.

In der Machart war das leider eine ganz schlechte Sendung, wie ich sie in der Art schon häufiger zu ähnlichen Themen auf Phönix gesehen habe. Vom Stil doch sehr wie eine Dokumentation gemacht, aber von vorneherein sehr darauf aus Geheimnisse, Rätsel und Wunder auszumachen, dann ein paar Wissenschaftsaromen hinzuzufügen, das ganze oft umzurühren, und am Ende steht der bedröppelte Zuschauer da, und weiß gar nicht recht was er gesehen hat.

Abweichend von dem, was die Vorschau zu versprechen schien, spielte sich die Frage, was davon nun in den UN-Menschenrechten wiederzufinden ist, in den letzten 1½ Minuten der 45minütigen Sendung ab.

Fr. Käßmann

Käßmann schräg

Es war auch ein wenig wie in meiner   Vorschau erwartet – nur dass es wirklich so krass kommt hätte ich nicht gedacht: Das Recht auf Eigentum = „Du sollst nicht stehlen“, das Recht auf Freizeit = „Du sollst den Sonntag heiligen“, und „Du sollst nicht morden“ – naja. Das war’s schon. Nein, halt, nicht ganz: Schon die 2 Gebäude der VN sähen aus wie die Gesetzestafeln.

Nämlich 1 und 2, möchte man dazu sagen. Laut Film sind die Tafeln wohl bei der Verwüstung Jerusalems durch die Babylonier verloren gegangen. Zuvor hat man aber eine Filmsequenz gesehen, bei der Gott mit Hilfe von Blitzen, hebräische Zeichenketten in 2 Steintafeln geschlagen hat. Diese waren aber von der Proportion viel flacher als die VN-Gebäude, und oben waren sie halbkreisförmig, während die Gebäude schlichte Quaderform aufwiesen. Die Gemeinsamkeit beschränkt sich also auf die Zahl 2, und eine Form die höher als breit und breiter als tief war.

Anfangs geht es ausführlich um die Wanderung des jüdischen Volkes, allerdings wird im Zeitverlauf vor und zurückgesprungen, so dass man schlecht folgen kann. Teilweise werden historische Fakten eingestreut, und dann wieder werden Glaubensinhalte wie Fakten präsentiert.

So wird beispielsweise zu Beginn gesagt, dass die Texte aus dem 5.Jhr. v.u.Z. stammen, aber zurückdatiert wurden. Dass eine Gruppe Schriftgelehrter diese verfasst hätten (worauf man Personen beim Schreiben auf Pergament sieht – nicht etwa beim Fälschen von Steinplatten) und dass die Wanderung der Israeliten beim Auszug aus Ägypten lt. Bibel 40 Jahre gedauert habe – für eine Strecke, die man zu Fuß auch in 4 Wochen zurücklegen kann.

Es wird berichtet, dass die Leute damals viele Götter hatten und der Glaube an alles mögliche erstmal ausgerottet werden musste. Man sieht wie brutale Schergen Tonfiguren und Altäre kaputtkloppen. Man kennt das ja aus Mali, wo heute ähnliches im Namen des Islam stattfindet – ein löblicher Normierungsprozess, lt. Käßmann.

Jerusalem wurde von den Assyrern angegriffen und trotz militärischer Überlegenheit nicht eingenommen – wundersamerweise seien die Assyrer wieder abgezogen. Das sei von Gott bewirkt worden. Dann aber sei man von den Babyloniern versklavt worden, was seltsamerweise kein Beweis für den babylonischen Gott war. In der Gefangenschaft sei aber dann erst das Sonntagsgebot entstanden als konspiratives, regelmäßiges Treffen.

Die 10 Gebote seien auch deshalb so erfolgreich, weil man sie sich leicht merken könne. 10 Finger und so. Schaut man bei Wikipedia: 10 Gebote so findet man schon unterschiedliche Ideen davon, wo ein Gebot beginnt und wo ein anderes aufhört. Auf 10 kommen letztlich alle, aber man könnte auf alles von 9 bis 12 kommen.

926 v.u.Z. gab es Streit um die Steuern für den Tempelbau war auch so eine Aussage, die betörend präzise klingt. Mich wundert, woher man das weiß. Vielleicht habe ich es falsch verstanden, aber wurde nicht zuvor gesagt, der Text sei viel später geschrieben worden? Der Tempel aber soll für die Gebotstafeln um diese herum gebaut worden sein?

Dann wird ein Schiff auf dem toten Meer gezeigt, dass Erdkernbohrungen macht, und es wird gesagt, dass dicke, weiße Kalkablagerungen für heiße Sommer signifikant sind. Um 1300 v.u.Z. sei eine wirklich sehr trockene Periode gewesen. Eine solche Trockenperiode habe zu Ernteausfällen geführt, zu Völkerwanderungen und dazu, dass die Ägypter ihre Truppen aus Israel u. Juda abzogen, wodurch ein Macht- und Religionsvakuum in der Region entstanden sei. Diese Episode, bei der der Bohrkern in einem Berliner Institut untersucht wird, steht recht unvermittelt im Film und soll wohl vorrangig einen wissenschaftlichen Eindruck erwecken.

Was ist überhaupt Aussage der Wissenschaft, was die der Bibel, was die von Theologen, was ist Käßmanns Privatmeinung und was ist Meinung der Filmemacher – das wurde nicht klar abgegrenzt. Etwa beim Abzug der Assyrer heißt es, „Das Wunder Gottes stärkt die Macht d. 10 Gebote“ – als ob es eine offensichtliche Evidenz sei, dass der Abzug ein Wunder Gottes war. Der Filmemacher macht sich diese Sichtweise unkritisch zu eigen.

Wer sich nun gar nicht mit der Bibel auskennt, der muss auch glauben, dass Gott die Gesetzestafeln lt. Bibel mit dem Blitz geschrieben hat. Das steht aber gar nicht in der Bibel.

Naja, und dann die ärmliche Ausbeute: Von 10 Geboten schaffen es 3 in die Menschenrechte – also 70% schaffen es gar nicht. Noch schlimmer sieht der Blick aus der Gegenrichtung aus: Für 3 von 30, also 10% soll die Bibel Pate gestanden haben. Der Film macht sich aber wieder zum kritiklosen Sprachrohr verklärten Glaubens: „Eindeutige Bezüge“ macht der Film bei der dürftigen Faktenlage aus.

Am Ende bleibt es bei Frau Käßmann zu den Menschenrechten zu sagen „Für mich sind die 10 Gebote die Vorlage dafür“. Ja, für Dich. Bei Dir wäre Frau Schavan auch nicht Doktor geworden, oder?

Da frage ich mich: Wie konnten die Chinesen verhindern, dass sie sich ausrotten, obwohl sie kein göttliches Tötungsverbot haben? Und Privateigentum bilden, ohne Moses Gesetzestafeln? Hatten andere Kulturen kein regelmäßiges Wochenende, bevor die Bibel zu ihnen kam?

Fakt ist, dass ein Mondzyklus 29,5 Tage hat, und damit die Aufteilung in 4 Phasen (Neumond, zunehmend, Vollmond, abnehmend) zu 4 Zeitreihen a ca. 7 Tagen führen kann.

Einem Aufklärungsauftrag kam der Filmbeitrag nicht nach. Er hat nicht plump zu missionieren versucht, aber Distanz zur Relgion war nicht zu erkennen, und eine klare Unterscheidung, was Bibel, was Wissenschaft sagen, was Bibelwissenschaften und was Meinung der Filmemacher ist, blieb aus. Im Gegenteil scheint das Ziel der Sendung gewesen zu sein, Spekulation, Meinung und Wissen zu vermengen, so dass man am Ende gar nicht weiß, was jetzt Stand der Wissenschaft ist, wo religiöse Aussagen schlicht falsch sind, und welche alternative Erklärungen stattdessen in Frage kommen.

Wir wurden damit konfrontiert, was Frau Käßmann denkt und wie sie sich alles zusammenreimt, und das war an Dürftigkeit nicht zu toppen. Als Erkenntnis nehme ich mit, dass die Reise aus Ägypten angeblich 40 Jahre dauerte, obwohl es zu Fuss in 40 Tagen machbar ist, und dass das 5. Buch Mose, in dem selbigem die Tafeln in die Hände gedrückt werden, erst später den Schriften hinzugefügt wurden, sowie dass man im Mittelmeer die Ablagerungsschichten zur Zeitmessung verwenden kann – das wusste ich vorher nicht.

Und dass die Chefideologen der Großkirchen offenbar plumpeste Tricks benutzen, um sich wichtig zu nehmen und um den eigenen Glauben zu entschuldigen.

Als Frage bleibt mir: Wer produziert unter welchen Vorgaben diese Filme? Die ev. Kirche selbst direkt? Wer hebt sowas ins Programm? Findet da ein Kuhhandel statt – um 19:00 Uhr darf die Kirche 45 Minuten Propaganda unter dem Deckmantel der Wissenschaft treiben, dafür protestiert sie nicht, wenn über Pussy Riot berichtet wird?

Abschließende Bemerkung: Von den 2 Staaten, die die Menschenrechtserklärung nicht ratifiziert haben, ist einer – (Fanfare!) – der Vatikan.

Update: Ein anderer Artikel bringt mich darauf, dass ich in der Bibel überhaupt keinen Verweis auf 2 Gesetzestafeln aus Stein finde. Hat Frau Käsmann vielleicht ihre Religion bei Hollywood studiert? :) Oder gibt es andernorts Bezüge auf 2 Gesetzestafeln? Bei 2 Mos. 20 oder 3 Mos. 19 finde ich nichts. Gott überliefert die Gebote mündlich an Mose.

Update 12.03.2014:

Eine andere Diskussion brachte mich darauf, bei Wikipedia nachzusehen, und da findet sich gleich eine ganze Handvoll Stellen, die von 2 Steintafeln sprechen, bzw. von insgesamt 4, denn die erste Version der Steintafeln wird zerschlagen, und dann wird neu geschrieben.

2 Gedanken zu „Bibelrätsel – die 10 Gebote, Rückschau

  1. itna

    Bei den Geboten sieht es noch düsterer aus, als du schreibst.

    Denn:
    Die zehn Gebote sind das Werk einer primitiven Hirtenkultur, die sich mit Dingen beschäftigte wie “Sklaven”, Sklave”, “Sklavin”, “Vieh”, “Rind” und “Esel”. Die ersten vier Gebote dienen nur der Selbstverherrlichung Gottes und verbieten explizit die Religionsfreiheit. Die Heiligung des Sabbats lässt sich säkular begründen, ersetzen oder streichen. Eltern, die ihre Kinder nicht ehren, müssen von ihren Kindern nicht geehrt werden. In Notwehr darf man töten, Ehen kann man offen führen, Nahrungsmittel darf man im Notfall stehlen, Lügen darf man eine ganze Menge, verlangen darf es einem nach allem, so lange man es sich nicht einfach nimmt.

    Stehlen und morden – das hiess etwas anderes und galt auch nur für den Mitgläubigen der eigenen Sippe

    „“Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau, Knecht, Magd, Rind, Esel …“.

    Frau als SACHE !

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  2. user unknown Autor

    Ich stimme weitgehend zu. Die Gebote im Einzelnen habe ich in der Vorschau schon bedacht – da wird vieles von dem, was Du sagst, auch vorgebracht.

    Allerdings nicht das mit Sklaven, Frauen, Knechten und Vieh. Die Verteidiger der Bibel führen dann gerne an, dass Gott die Hirten (die er selbst erst kurz zu vor aus Staub geformt selbst geformt hatte) nicht überfordern wollte und nur Gebote erlassen konnte, die damals auf Akzeptanz gestoßen sind.

    Damit sagen sie aber faktisch, dass dieser Gott ein impotenter Moraleunuch ist, der eben keine besseren Menschen mit seinen Geboten schaffen konnte, sondern nur das kodifizieren, was sowieso schon als Regel akzeptiert war.

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