Bei Frontal 21 im ZDF lief ein Beitrag zur Sterbehilfe, in dem folgender Graph, links nahe am Original, abgesehen von den gelben Balken die von mir stammen – dazu komme ich später.

frontal-21-von-21-zu-41Der Clou an dem Graphen ist, dass er nach rechts wegbricht, etwa wie die aktuelle Konjunkturerwartung, aber nicht der Graph selbst, der noch sacht ansteigt, sondern die Basis kippt südwärts – sonst – wäre sie waagerecht, stiege der Graph an wie rechts in dem von mir gedrehten Screenshot.

Ich fragte mich kurz was das solle, und hatte 2 Verdächte.

  • Verdacht 1: Der Anstieg ist den Machern der Sendung zu hoch, sie hätten es lieber sanfter, und versuchen deshalb den Eindruck zu mildern.
  • Verdacht 2: Die Grafiker finden rechtwinklig ausgerichtete Grafiken langweilig, gestrig, sooo Nuller. Es muss hipp und anders sein, also kippen wir den Graf und schon ist Spannung, Abenteuer, gute Laune!

Verdacht 1 kann man leicht ausräumen. Wollte man den als Sendungsmacher den Anstieg verschweigen so würde man ihn einfach verschweigen. Ich schaute mir den Ausschnitt auch gezielt ein zweites Mal an, um den dazu gesprochenen Text zu hören, und da wird der Anstieg nicht kleingeredet. Es muss also wohl Verdacht 2 sein, falls niemandem was besseres einfällt.

Der Zweck einer Grafik ist freilich den numerischen Zusammenhang nochmal optisch deutlich zu machen – ein Punkt ist doppelt so hoch und das wird leicht erfassbar gemacht. Man pfuscht dann aber nicht so rum und macht es dem Zuschauer wieder schwer. Gewohnt ist man schon unbeschriftete Achsen und Achsen die nicht durch den Nullpunkt gehen. Dieser Kippgraph ist eine neue Technik.

Jetzt hatte ich schon ein Rechteck eingezeichnet, um zu Punkt 2 zu kommen, da wollte ich wissen, ob wenigstens der Punkt bei 41 fast doppelt so hoch ist, wie der bei 21. Überraschendes Ergebnis: Er ist mehr als doppelt so hoch! Ist er Links etwa richtig, wenn die Y-Achse nicht rechtwinklig auf der X-Achse steht, sondern zum unteren Kamerarand? Nun, fast, aber mein Augenmaß sagt mir, dass es doch höher sein müsste. Aber wo ist eigentlich genau die untere Achse? Auch sie ist in der künstlerischen Gestaltungsfreiheit geopfert worden. Wenigstens kleinlich ist man bei der Sendungsgestaltung nicht.

Ein Versuch den Graph tiefer beginnen zu lassen (blaues Rechteck), aber 2×21 ist da immer noch unter der 41.

Jetzt beim Bloggen schaue ich mir noch die Zahlen an. Ist die 41 nicht deutlich, aber doch nicht proportional größer als die 21, also ein gedachtes, umschließendes Rechteck um die Zahlen?

Gut – wenn schon, denn schon, messen wir das noch schnell nach: frontal-21-von-21-zu-41a

 

Grünes Rechteck um die 21 gezogen. Natürlich muss man nicht äquidistante Schriften verwenden, die 4 hier dürfte breiter sein als die 2 da, aber die 1 müsste gleich sein. Das grüne Rechteck ist gleich und von der 21 kopiert; die Maße stehen oben. Rechts, weiß die Maße der 41. Auch die Fläche gibt aber nicht das Zahlenverhältnis wieder; die Fläche müsste sonst unter 2×264=528 (Pixel o.s.ä.) liegen, liegt aber drüber.

Wir schütteln den Kopf und werfen noch einen Blick auf die X-Achse. Von 2010 bis 2013 sind es 6 große Striche – ein Strich also ein halbes Jahr. Die großen Striche werden durch kleine begleitet – da sind es je 4 Intervalle. 4 was bilden ein halbes Jahr? Lasst uns schnell laufen, nur weg hier, wer weiß, was man noch entdecken könnte!

Graphen sollen helfen einen Sachverhalt zu erfassen, nicht helfen diesen zu verschleiern. Sonst soll man doch eine Klasse Walldorfschüler den Graphen tanzen lassen.

Hat jmd. ein Archiv alter Frontal-21-Sendungen? Seit wann geht das schon so?

26 Gedanken zu „Als-ob-Information

  1. ohneName

    Wenn ich die Striche auf der Skala zähle, komme ich auf Sieben für drei Jahre. Irgendwas war da doch mit Sieben und Kalender? Achja, die Woche…

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  2. c

    hab´ die sendung nicht gesehen, aber anhand der screenshots, die du mit gelben balken verdeckst, wird absolut nicht klar, was du meinst. was heißt, nach rechts wegbrechen?

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    1. user unknown Autor

      Oben links, das Bild, da habe ich 2 gelbe Rechtecke drüber gelegt, aber ansonsten ist es ein Screenshot der Sendung:

      Die Horizontale des Graphs würde eigentlich die Zeit zeigen, von 2011 bis 2013, aber sie ist nicht horizontal, sondern es ist eine schiefe Ebene, Es sinkt von 2011 nach 2013 und zwar nicht wenig – Pi mal Daumen um 20°. Deswegen habe ich das ganze Bild in die Gegenrichtung gedreht, bis die Linie horizontal liegt. Jetzt ist der Rahmen natürlich schief in die Gegenrichtung.

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  3. Dietmar

    Die größeren Zahlen halte ich für legitim. Die Skalierung unten wird davon ablenken sollen, dass sie nur vier Jahreswerte hatten – mit einiger Wahrscheinlichkeit ist der Eintrag für 2012 willkürlich nach links versetzt. Insgesamt ein netter Beitrag!

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  4. puz_le

    Eigentlich fängt der Unsinn ja schon bei der Wahl der Darstellung an. So wenige Ereignisse als kontinuierlichen Graphen über mehrere Jahre zu zeigen, statt z.B. ein Balkendiagramm zu wählen, sträubt mir schon ein wenig die Nackenhaare.

    Ich war neugierig auf die Quelle für die Zahlen (nach all diesem Pfusch keimen Zweifel, ob die wenigstens unverfälscht sind…). Die Quellenangabe im Beitrag lautet: „die Statistik“. (https://www.youtube.com/watch?v=4GFsPf8cpdk&t=5m07s – Die Sprungmarke liegt kurz vor Einblendung des Graphen.)

    Naja, dann muß es ja stimmen.

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  5. Sebastian Stüker

    Wenn man sich das Video ansieht, dann sieht man auch noch, dass die Skala der X-Achse im Video leicht hin- und her tanzt, und so sich die Skala zum Graphen leicht verschiebt. Erhöht die Genauigkeit und Verständlichkeit der Grafik nochmals deutlich.

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  6. Peter

    Mal daran gedacht, dass das Diagramm nicht nur nach unten wegknickt, sondern vielmehr gleichzeitig perspektivisch aus dem Hintergrund nach vorne (3D) verläuft. Das erklärt dann einiges (wenn nicht alles)…

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    1. user unknown Autor

      Nein, nicht dran gedacht, und ich sehe auch kein Indiz, das diese Sichtweise unterstützt. Es könnte trotzdem eine horizontale Grundlinie haben und wenn es Absicht wäre, dann hätte man die 3. Dimension sicher in irgendeiner Weise genutzt. Außerdem ist bei den gängigen 3-D-Perspektiven eine Vertikale immer noch vertikal – hier sind die Vertikalen aber schief.

      Im Vordergrund links ist eine 3-D-förmige, tobleroneähnliche Struktur mit einem Highlight auf dem Grat, welches steil nach links oben verläuft, links von der „2011“. Zu diesem, ich glaube rein dekorativen Ding, ist kein 3-D-Bezug hergestellt. Auch die Deutschlandkarte im Hintergrund wirkt auf mich nicht perspektivisch verzerrt.

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      1. JensE

        Es ist momentan in diversen „hochmodernen“ ZDF-Produktionen, wie z.B. frontal21, zeit: oder wiso einfach nur „üblich“ grafisch alles in Pseudo-3D aufzubereiten. Diese Grafik auch.

        Das erkennt man daran, dass diese Grafik optisch auf der perspektivisch liegenden Deutschlandkarte „liegt“.

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        1. JensE

          Ach ja, diese Grafiken heißen nicht umsonst „Info-Grafik“. Hier wird nur ungefähr angedeutet, und es muss gut aussehen.

          Solche Grafiken sollen nur das gesprochenen Wort unterstützen. Für sich alleine genommen wären sie unseriös.

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  7. thomas

    Ich hätte folgende Erklärung: Der Wert für 2013 (41) ist nicht am rechten Rand der Grafik abzulesen, sondern einen großen Strich davor. Das ist in sofern konsistent, da die Beschriftung „2013“ ebenso leicht rechts neben dem zugehörigen Strich steht, wie die Beschriftung „2010“. Dann entsprechen tatsächlich zwei große Striche einem Jahr. Dann stimmt die Höhe in etwa.

    Leider scheint das aber nicht zu stimmen. Ich gehe davon aus, dass Frontal 21 jeweils die Daten für ein Jahr vorliegen. Diese Informationen korrelieren dann mit den Knicken im Graph. Dann sind zwei große Striche aber nicht mehr ein Jahr…

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    1. user unknown Autor

      Ja, nicht? Einfach die Grafik der Tabellenkalkulation zu nehmen wäre zu einfach, das machen ja alle – es muss so viele Abweichung von solch einer 0-8-15-Grafik wie möglich geben.

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  8. dorotheawagner

    Ich war gespannt darauf, was die Zahlen denn bedeuten, und habe mir das Video im Schnelldurchgang angeschaut. Da heißt es bei Minute 5 wörtlich: „Sie [die Befürworter der Sterbehilfe] wollen, daß Menschen, die leiden, mit einem Medikament sanft einschlafen können. Laut Gesetz ist das in Deutschland nicht verboten. Daß Deutsche davon auch Gebrauch machen, zeigt die Statistik: Die Sterbehilfe half 2010 21 Menschen in den Tod; 2013 waren es bereits 41.“

    2010 also einer von 4 Millionen, 2013 einer von 2 Millionen.
    Zwei Zahlen aus zwei Jahren – seit wann ist das eine Statistik?

    Angesichts der vergleichsweisen Bedeutungsarmut dieser Zahlen muß man sich nicht wundern, wenn der Graph, der diese Wirklichkeit abbilden soll, mit grell-düsteren Farben, überdimensionierten Ziffern und Deutschland-Umriß nicht nur vollkommen „overdesigned“ daherkommt, sondern auch noch gekippt ist. Es ist reine Effekthascherei. Die Dramatik der Darstellung steht in keinem Verhältnis zum dargestellten Inhalt; im Gegenteil: Dieser ist so simpel, daß er eines Graphen überhaupt nicht bedurft hätte.

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    1. user unknown Autor

      Nun, der Graph zeigt ja noch 2 Knicke. Da würde ich schon draus schließen, dass auch Zahlen für 2011 und 2012 vorliegen, mit Anstiegen davor und danach aber kaum dazwischen.

      Ab wann man nun eine Datensammlung Statistik nennen darf, dazu liegen mir keine formalen Kriterien vor. Wie zuverlässig die Zahlen sind weiß ich natürlich nicht, aber im Extremfall würde ich sagen, dass „21 Personen im Jahr 2010“ schon als Stochastik, also Häufigkeitsbetrachtung, gelten kann. Statistik ist eigentlich die methematische Theorie mit der man stochastische Prozesse analysiert und beschreibt – das liegt in der Tat nicht vor.

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  9. dorotheawagner

    Nachsatz: Man möchte nicht wissen, was die Leute verdienen, die solche Graphen erstellen. Mit seriösem Journalismus hat das jedenfalls nichts zu tun.

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  10. dorotheawagner

    Noch eine Idee: Während von links nach rechts (in einer geraden Linie) einfach Zukunft signalisiert, bedeutet die Bewegung von links oben nach rechts unten einen Abfall, eine Depression:

    Klicke, um auf Gestaltungsgesetze.pdf zuzugreifen

    http://www.foto-shop.de/foto-tipps/bildgestaltung/

    Im Video sieht man unmittelbar nach dem Graphen den Reichstag, eingehüllt in dichte, graue Wolken. Dazu heißt es: „Doch Politiker wollen die Sterbehillfe nun neu regeln. Im Bundestag soll ein Gesetz eingebracht werden, das kommerzielle Sterbehilfe verbietet.“ Indem er abwärts zeigt, würde der Graph die Zukunft, in der Sterbehilfe wieder eingeschränkt wäre, gewissermaßen vorwegnehmen. Wie gesagt, man möchte nicht wissen, was diese Leute verdienen.

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  11. Konstantin

    Die blauen Rechtecke bzw. Messungen hätten im linken Screen (Original) gemacht werden müssten, nicht in der rechten Grafik. Dass die Frontal21-Grafik recht sinnfrei ist, steht außer Frage.

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  12. user unknown Autor

    Wir haben eine X-Achse mit Skala und keinen 0-Punkt für die Y-Achse. Normalerweise ist die X-Achse der 0-Punkt für die Y-Achse, aber dann ist die Skala auch unter der X-Achse, nciht darüber. Hier ist sie darüber, und die Fläche unter dem Graphen ist ausgemalt, endet aber direkt über der Skala und geht nicht bis zur X-Achse runter.

    Links habe ich ein Rechteck eingezeichnet, welches bis über die Skala geht, rechts (blau) geht es bis zur Achse. In Beiden Fällen ist die Höhe bis zum Startpunkt 2010 gemessen. Die Drehung der Grafik hat darauf keinen Einfluss.

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